Gipfel in Kopenhagen

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Wie Argentinien mit Bambus dem Klima helfen will

Von Brian Byrnes 12. Dezember 2009, 10:15 Uhr

Bambus bindet Kohlendioxyd und ist so ein wichtiger Beitrag für den Klimaschutz. Außerdem ist er ein schnell wachsender, vielseitiger Rohstoff. Ein Besuch im argentinischen Tigre, wo sich die Regierung um ein nachhaltiges Bambus-Geschäft bemüht, das inzwischen sogar Leute wie Al Gore anlockt.

Ich fahre in einem kleinen Boot am Ufer des trüben Flusses Parana entlang. Und bin glücklich, glücklich darüber, dass es endlich aufgehört hat zu regnen, dass die Sonne wieder über Argentinien scheint, und dass meine Arbeit mich ab und zu an Orte wie diesen führt, wo ich mit der Umweltministerin von Tigre, Leticia Villalba, dem Wissenschaftler Rodolfo Cassol und dem 21-jährigen Alonzo Gazz, der in Tigre seinen Lebensunterhalt als Bambusarbeiter bestreitet auf einige Inseln im Parana Flussdelta fahren kann. Sie wollen mir Bambuspflanzen zeigen, die dort beheimatet sind, und demonstrieren, wie man sie richtig abschneidet, was viele Menschen, die dort leben, nie gelernt haben.

Cassol erzählt mir, dass die Arbeiter dort jahrzehntelang mit primitiven Handbeilen Bambuspflanzen abschlagen haben – ein Verfahren bei dem die Pflanzen oft splittern, was wiederum den Regenerationsprozess behindert und sie eingehen lässt.

Bambus ist eine der am schnellsten wachsenden und reichlich vorkommenden Pflanzen auf unserem Planeten, die auch bei der Bindung von CO2-Emmissionen eine wichtige Rolle spielt. Argentinische Umweltbeauftragte arbeiten daran, die Kultivierung von Bambus zu verbessern, um sowohl das kommerzielle als auch das ökologische Potenzial der Pflanze maximal auszuschöpfen.

„Der Bambus zieht sich zurück, weil wir bisher nicht wussten, wie man ihn richtig abschlägt. Dadurch wächst er nun langsamer und trocknet aus“, sagt Gazz. Als er nur wenige Minuten später eine Kettensäge herausholt, bin ich zugegebenermaßen ein wenig überrascht. Ich dachte immer, Kettensägen seien lärmende Geräte, die alles zerstören, Benzin verbrauchen und unzählige Bäume fällen.

Doch wie sich herausstellt, hilft der saubere gerade Schnitt einer Kettensäge dem Bambus, seinen Durchmesser zu erweitern und höher zu wachsen, was wiederum die Kapazitäten zur Aufnahme von schädlichen Karbongasen erweitert.

Ein vor kurzem gestartetes Regierungsprogramm in Argentinien bringt diese Techniken Arbeitern wie Gazz nahe, in der Hoffnung, dass die Bambuspflanzen des Landes ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Hier in Tigre gibt es kostenlose Workshops und Zuschüsse für Arbeiter, die moderne Geräte wie Kettensägen kaufen möchten.

Die Provinz Buenos Aires hat erst kürzlich einen Kooperationsvertrag mit dem nationalen Bambus-Forschungszentrum China unterzeichnet. Al Gore war vor einem Monat in Tigre und sprach dort mit Bürgermeister Sergio Massa über verschiedene Bambus-Projekte.

„Wir möchten die Menschen hier dazu bringen, dass sie in einer nachhaltigen Art und Weise mit dem Bambus arbeiten. Dadurch werden Produktion und Gewinn erhöht und auch mehr CO2 eingefangen. So können wir sowohl den Bewohnern als auch dem Planeten helfen“, sagt Villalba.

Während wir durch die Buchten der Inseln fahren, erklärt mir Villalba, dass Bambus in Tigre eine Lebensart ist – ein Teil des Kulturerbes. Man baut damit Häuser, Ruder, Angelruten und Zäune. Als wir später über den Markt in Tigre laufen, sehe ich Dutzende Bambusmöbel, Stehlampen, Schaukelstühle, Körbe und Schalen – alle aus Bambus.

Umweltexperten sagen, dass das Übermitteln von nachhaltigen forstwirtschaftlichen Maßnahmen in Gegenden wie Tigre der Schlüssel dazu ist, den Klimawandel zu verlangsamen. Erst im Oktober wurde dieses Thema auf dem XIII Weltkongress für Forstwirtschaft in Buenos Aires diskutiert. Mehr als siebentausend Menschen nahmen daran teil und versuchten, umsetzbare Lösungen für das Abforsten zu finden.

Ich war auch dort und interviewte verschiedene Menschen aus der Welt der Forstwirtschaft, die nach Ideen suchten. Auf dem Kongress erfuhr ich auch erstmals etwas über die Initiativen in Argentinien. Ein Hauptthema, über das bei der Zusammenkunft gesprochen wurde, war die Auswirkung der derzeitigen globalen Wirtschaftskrise auf das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt. Als ich mit dem Direktor der internationalen Forstabteilung des WWF Taylor Rodney sprach, erzählte er mir einige verblüffende Dinge.

„Unternehmen überdenken derzeit ganz grundsätzlich ihre Geschäftsstrategien. Das Thema Nachhaltigkeit gehört mittlerweile zum unternehmerischen Denken – und das ist für uns eine große Chance“, sagt Taylor.

Die berühmte Umweltschützerin Dr. Jane Goodall reiste zum ersten Mal nach Argentinien und nahm am Forstkongress teil. Als ich mich für ein Exklusivinterview mit ihr zusammensetzte, war sie zuversichtlich, was die Zukunft betrifft – sie arbeitet hart daran, Kindern auf der Welt etwas über ihr „Roots and Shoots“- Programm beizubringen – aber sie hatte nicht viel Gutes darüber zu sagen, wie Führungspersönlichkeiten mit dem Klimawandel umgehen.

„Ich finde, dass sie miserable Arbeit leisten, um ehrlich zu sein. Die Wälder verschwinden weiter – durch Armut und Menschen, die dringend Nahrungsmittel anbauen müssen, aber auch durch die Ausbeutung von Land und das Abholzen der letzten Bäume, wodurch Wüsten entstehen“, erzählt sie mir.

Am Fluss Tigre sind sich die meisten einig, dass die Situation besser werden muss, wenn der Bambus hier weiter erfolgreich genutzt werden soll. Die Kultivierung dieser Leben spendenden Pflanze nachhaltig zu verändern, ist eine logistische und kulturelle Herausforderung, doch soweit ich es beurteilen kann, scheinen die Menschen dort der Aufgabe gewachsen zu sein (Welt Online, 12.12.09).

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